Kennzahl für prozess- und serviceorientierte Auslastung: Service Activity Friction
Aufgaben und Service Activities
Die Service- und Prozessorientierung moderner Unternehmen erleichtert die Steuerung einzelner Leistungen sehr. Werkzeuge und Softwarelösungen helfen dabei, die Aufgaben zu erfassen und über ihren gesamten Lebenszyklus zu verwalten. Damit werden die zugehörigen Serviceaktivitäten (Service Activities), die zur Abarbeitung von Aufträgen notwendig sind, nachhaltig überwacht. Das gleiche gilt für Serviceaktivitäten, die sich aus Prozessen wie beispielsweise dem Request Fullfillment, dem Change oder dem Incident Management ergeben. Die eingesetzten Werkzeuge liefern dabei eine gute Datenbasis für die Steuerung und Optimierung.
Auslastungssteuerung
Ziel dieser Optimierung ist, neben der allgemeinen Prozessverbesserung, eine optimale Ressourcenausnutzung. Diese soll das richtige Maß zwischen Vorsorge und den mit dem Vorhalten von Kapazitäten verbundenen Kosten herstellen. Dieses Ziel ist mit einfachen statistischen Methoden erreichbar. Das gilt zumindest, wenn die Aufgabe isoliert betrachtet wird. Ist also eine Stelle oder ein Bereich nur mit einem Thema beschäftigt, so können die Verteilung von Aufwand und Häufigkeit der Aktivitäten einfach gemessen und in die Zukunft projiziert werden. Zusammen mit der gewählten Risikostrategie ergibt sich daraus das Maß der vorzuhaltenden Ressourcen.
Herausforderung Matrixorganisation
So einfach ist es in modernen Unternehmen aber selten. In der Regel haben alle Mitarbeiter und natürlich auch die Bereiche, zu denen sie gehören, eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben. Neben den Linienaufgaben unterliegen sie häufig auch den Anforderungen, die sich aus Prozessen ergeben. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen werden dabei dynamisch den einzelnen Themen zugeordnet. Dementsprechend sind bei der Ressourcenplanung alle Obliegenheiten im Bereich zu berücksichtigen. Betrachtet man bei der Optimierung und bei der Auslastungssteuerung nur die einzelne Service Activity, so erhält man ein unvollständiges Bild für das Zusammenspiel aus Ressourcen und Abarbeitungsvermögen. Trotzdem ist es interessant, eine isolierte Kenngröße zu haben, die auch im komplexen Umfeld einer Matrixorganisation aussagefähig bleibt. Dazu kommt, dass diese Kenngröße auch organisationsübergreifend vergleichbar sein soll. Idealerweise schafft es die Kennzahl, auch Bereiche mit unterschiedlichen Kapazitäten und Mengenmodellen gegenüber zu stellen.
Anleihe aus der Arbeitsmarktforschung: Friktion
Eine Kenngröße, die die notwendigen Anforderungen erfüllt, ist die Activity Friction. Diese Kennzahl bedient sich der Erfahrung der Arbeitsmarktforschung. Dort unterscheidet man konjunkturelle, strukturelle und friktionelle Arbeitslosigkeit. Bei der konjunkturellen Arbeitslosigkeit existieren nicht genügend Stellen, um alle Arbeitssuchenden zu befriedigen. Eine strukturelle Arbeitslosigkeit ist anzutreffen, wenn zwar genügend Stellen für die Arbeitssuchende vorhanden sind, aber die geforderten und angebotenen Kompetenzen nicht übereinstimmen. Die friktionelle Arbeitslosigkeit ergibt sich aus den zeitlichen Verschiebungen, die beim erstmaligen Antreten einer Stelle nach der Ausbildung oder dem Studium vergeht oder die für den Wechsel von einem Arbeitgeber zum nächsten benötigt wird. Damit ist die friktionelle Arbeitslosigkeit die niedrigste Quote, die in einer perfekten Umgebung, bei der genügend offene Stellen jeweils genau passenden Bewerbern gegenüberstehen, zu erreichen ist. Nutzt man einfache Analogien, so ist dieses Modell auch auf Service Activities anwendbar. Die offenen Stellen werden durch die jeweiligen Aufträge, zum Beispiel Tickets, ersetzt. Die freien Ressourcen der Mitarbeiter der Bereiche treten an die Stelle der Arbeitssuchenden und die Friktion wird über den Zeitbedarf bei der Zuordnung und Erledigung der Aufgabe abgebildet.
Service Activity Friction
Die Service Activity Friction stellt also ein Maß für die durchschnittlich noch nicht begonnenen oder gerade in der Ababeitung befindlichen Serviceaktivitäten dar. In einer passenden Ressourcenvorsorge ist diese Größe nicht null, da immer ein gewisser Arbeitsvorrat vorhanden ist, der aber für seine Abarbeitung nur solange benötigt, dass keine Servicevereinbarungen gebrochen werden. Da es hier, ähnlich wie in der Arbeitsmarktforschung, nicht um die Betrachtung einzelner Zeitpunkte geht, sondern vielmehr um ein Maß für die in einem Zeitraum offenen Aufgaben, kommen über einen Zeitraum von mehren Tagen oder Wochen erfasste Größen zum Einsatz. Bewährt hat sich hier ein Monats- und ein Dreimonatswert. Die Friktion ist eine Verhältniszahl aus den im betrachteteten Zeitabschnitt abgeschlossenen und den gestarteten Aktivitäten. Dabei werden nur diejenigen abgeschlossenen Aktivitäten betrachtet, die auch im relevanten Zeitraum geöffnet wurden. Die so ermittelten Werte sind einfach zwischen unterschiedlichen Bereichen vergleichbar und zwar unabhängig davon , ob der jeweilige Bereich viele oder wenige Einzelaktivitäten oder Services abarbeitet. Somit stellt diese Kennzahl eine organisationsübergreifende Mess- und Vergleichsgröße dar.
Auswertung der Service Activity Friction
Die Service Activity Friction kann für zwei wesentliche Auswertungen verwendet werden. Zum einen kann mit ihr organisationsübergreifend eine Referenz gleichzeitig offener Aufträge bestimmt werden. Setzt man die Friktion mit dem Ressourcenverlauf, also der allgemeinen Mitarbeiterbasis mit Sondertätigkeiten, Urlaub und Krankheit, ins Verhältnis, so lässt sich mit ihr der für den Arbeitsvorrat zu erwartende Verlauf vorhersagen. Nutzt man die Friktion nicht direkt, sondern setzt die offenen Aufträge mit den Ressourcen mit Hilfe einer Beveridge-Kurve in Beziehung, so lassen sich strukturelle Aussagen über die Gründe für die offenen Aufträge machen. Die Beveridge-Kurve wird deshalb in einem der nächsten Beiträge näher betrachtet.